454 Xxii. §. 9. Gleichzeitige Schwächung Frankreichs und des Papstthumö.
berufen, so bekam es auch zu fühlen, was es heißt, ein Volk ohne
Treu und Glauben und eine zur Gewalt gelangte Masse zu re-
gieren.
In früheren Zeiten würde ein solcher Kampf zwischen zwei Köni-
gen um die Krone Frankreichs sofort von dem Papst vor seinen Rich-
terstuhl gezogen und in päpstlicher Machtvollkommenheit entschieden
sein. Wieweit lag solche Möglichkeit jetzt schon dahinten. Umgekehrt
stritten sich soeben zwei Päpste um die dreifache Krone und die ganze
Christenheit fragte verwirrt und verlegen, welcher höhere Richter hier
zu entscheiden habe über zwei Männer, deren jeder sich selber für den
einigen höchsten Richter auf Erden erklärte und Gottes Stellvertreter.
Bis zum Jahr 1367 hatten die Päpste unbeweglich verharrt zu Avig-
non unter französischer Botmäßigkeit. Da aber inzwischen Frank-
reich, durch die englischen Kriege geschwächt, ihnen die Kette etwas löste
und in Italien das ganze päpstliche Gebiet in fremde Hände zu gera-
then drohte, so versuchte zuerst Urban V. nach der heiligen Stadt,
nach Rom zurückzukehren. Aber da erhob sich Widerspruch von einer
Seite, von der man es am wenigsten hätte denken sollen. Die Cardi-
näle wollten nicht wieder nach Rom. Sie waren meistens Franzosen
und hatten die weichlichen Genüsse und die schlaffe Sicherheit des süd-
lichen Frankreich so lieb gewonnen, daß sie es mit dem gefährlichen
Rom und Italien nicht vertauschen mochten. Auch Urban selber
fand es am Ende wohnlicher in Avignon und kehrte 1370 dahin zu-
rück. Aber er starb noch in demselben Jahre und sein Nachfolger
Gregor Xi. (1370—78) machte nun doch wirklich Ernst mit der
Rückkehr nach Rom. Eine neue größere Noth entstand aber mit sei-
nem Lode. Es wurde ein Papst gewählt, Urban Vi. (1378—91),
ein geborener Italiener, von dem man die Zuversicht haben konnte, daß
er nicht wieder nach Frankreich entweichen werde. Aber eine große
Partei, auch unter den Cardinäleu, war mit dieser Wahl unzufrieden
und ging hin und wählte einen andern Papst, der sich Clemens Vii.
nannte und alsbald wieder seinen Sitz in Avignon aufschlug. So
entstand die jämmerliche Papstspaltung, das päpstliche Schisma, wel-
ches länger als ein ganzes Menschenalter fortdauerte und die christliche
Welt in zwei Hälften zerriß. Der ganze Westen außer England er-
klärte sich nämlich für den französischen Papst, dagegen Deutschland
und alle übrigen Länder hielten zu dem römischen Papst Urban. Ein
jeder dieser beiden Päpste bannte und verstuchte den andern sammt
seinem ganzen Anhang. Die nächste Wirkung war, daß der Bann
alle seine Schrecken verlor. Die gesammte Christenheit lag ja jetzt
unter dem Bann, mochte sie nun von dieser oder jener Seite her ge-
bannt sein. Jeder Papst erklärte den Bann sowie alle Amtshand-
lungen des Gegenpapstes für wirkungslos. Die Fürsten und Könige
stritten über die Rechtmäßigkeit des einen oder des andern Papstes.
Die Gelehrten, besonders die Universitätslehrer in Paris, stellten Un-
tersuchungen an, wie solchem Uebel des Doppelpapstthums abzuhelfen
sei. Das Volk aber sammt der ganzen Geistlichkeit seufzte und weh-
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T158: [Papst Kaiser Iii Vii Gregor Heinrich Rom Friedrich Italien Jahr], T77: [Papst Bischof Kaiser Rom Kirche König Heinrich Erzbischof Gregor Papste], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee]]
Extrahierte Personennamen: Urban_V. Urban Gregor_Xi Gregor Ernst Urban Clemens_Vii Urban
Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Frankreichs Gottes Italien Rom Rom Frankreich Rom Italien Avignon Rom Frankreich Avignon England Deutschland Paris
Xxii. §. 12. Eintritt der spanischen Macht mit ihren Entdeckungen »c. 465
lich dem Mittlern und südlichen, war noch nie eine Kunde nach Europa
gekommen. Da trieb zuerst seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts die
Forschbegier, die Ruhmsucht, der Golddurst die kühnen Entdecker aus
Portugals Häfen die west-afrikanische Küste hinab, bis sie (1471) die
Bucht von Guinea und (I486) durch Diaz das Cap der guten Hoff-
nung erreichten. Aber von Allem, was die Portugiesen in Afrika fanden,
'' interessirte sie nichts als das Gold. Die elenden Haufen der nackten
Wilden überließen sie auch ferner sich selber. Nur an den Küsten von
Guinea und Mozambique legten sie später ihre Niederlassungen
an und bauten daselbst ihre Städte mit Kirchen und Klöstern. Ihr
eigentliches Ziel war aber ein anderes: das reiche Wunderland Ost-
indien. Im Jahr 1498 erreichten sie es. Da trat ihnen eine viel-
tausendjährige Cultur mit allem Schimmer des äußern Glanzes ent-
gegen. Aber die Grundlagen dieser alten Heidenstaaten waren längst
schon morsch geworden. Mohamedanische Waffen hatten die meisten
indischen Radschas besiegt, und eine schwere religiöse und nationale
Zerrüttung hatte um sich gefressen wie ein Krebs, und die innersten
Säulen des uralten Domes indischer Herrlichkeit zerstört. Da kamen
die Portugiesen. Nicht zogen sie mit Kriegsheeren in das Innere des
Landes, aber die Küsten unterwarfen sie sich, die Häfen von Malabar,
von Malacca, von Sumatra und Java öffneten sie sich, ihre Forts und
Factoreien erhüben sich aus den Molukken, wie auf Ceylon und den
Küsten von Ormus. Von Goa aus herrschten ihre kühnen und klugen
Vicekönige über ein weites Jnselreich von den Sunda-Inseln und Ma-
cao bis nach Socotara. Mit den Kriegsleuten zogen die Mönche aus,
um die unterworfenen Heiden zu taufen, und neben den Regierungsge-
bäuden und Handelsmagazinen erhoben sich die christlichen Kirchen und
die Klöster der Franciscaner. Wie viele Thaten der Finsterniß aber
auch bei dieser Ueberwältigung friedlicher Völker und dem Bekehrungs-
zwang fanatischer Priester verübt sein mögen, so fallen doch die portu-
giesischen Verschuldungen in Ostindien weit weg gegen das schreck-
liche Nachtstück, welches die spanische Eroberung der amerikanischen
Länder vor uns aufrollt. Am Ende des Jahres 1492 nahm der erste
Entdecker, der hoch berühmte C o l u m b u s, die Insel Haytioderhispantola
in Besitz und fand daselbst etwa eine Million Menschen, schwach und
gutmüthig, die keinen Widerstand leisteten, von denen nichts zu besor-
gen war. Und am Ende des Jahrs 1508 fand man keine 60,000 mehr
übrig. Wo waren die 940,000 geblieben? Sie waren alle umgekom-
men, verhungert, zermartert, aus den Aeckern, in den Bergwerken, bei
den Bauten, in den Gefängnissen der Spanier oder an den eingeschlepp-
ten Krankheiten zu Grunde gegangen. Als der waghalsige und uner-
schütterliche Cortez mit 600 Spaniern und 10,000 Eingebornen, welche
die drückende Oberherrschaft des eingedrungenen Aztekenstammes abschüt-
teln wollten, das weite, wohl verwaltete mericanische Reich und die
glänzende Hauptstadt Merico eroberte (1521), da bekamen die Folter-
werkzeuge, die Henkerbeile und die Scheiterhaufen eine schreckliche Ar-
beit. An einem einzigen Tage wurden 40,000 Mericaner niedergemacht,
und an einem andern 400 Edle langsam verbrannt. Zwar diese
». Rohden, Leitfaden. 30
TM Hauptwörter (50): [T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T0: [Meer Insel Halbinsel Küste Ozean Afrika Land Europa Kap Straße]]
TM Hauptwörter (200): [T184: [Insel Amerika Portugiese Afrika Spanier Kolumbus Küste Entdeckung Jahr Indien], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Diaz Malacca
Extrahierte Ortsnamen: Europa Portugals Guinea Afrika Guinea Mozambique Sumatra Ceylon Socotara Ostindien
500 Xxiii. §. 7. Bekenritniß und Bündniß der Evangelischen.
zertreten; ihnen ist nur wohl unter den Ruinen zerstörter Herrlichkeit,
sie gedeihen nur in verwüsteten, zu Grunde gerichteten Ländern. Und
diese Unholde hatten angefangen, auch unser deutsches Vaterland zu
bedrohen. Schon war Ungarn ihre Beute geworden. Auf dem
Schlachtfelde von Mohacz hatte der letzte König aus Dem Stamm der
Jagellonen (1526) fein Leben verloren. In Ofen hatte der stolze
Sultan Soliman eine Zeitlang seinen Sitz genommen; den ehrgeizi-
gen und gewissenlosen Johann Zapolpa, den Fürsten von Sieben-
bürgen, hatte er zu seinem Vertreter und Statthalter in Ungarn ein-
gesetzt. Da nun aber König Ferdinand sich die ungarische Krone
auf's Haupt zu setzen wagte, brach der zürnende Großherr mit
seinen Hunderttausenden wieder hervor aus seiner Hauptstadt, über-
schwemmte und verwüstete Ungarn unv lagerte sich im Herbst 1529
vor Wien. Da gerieth das ganze deutsche Volk in Schrecken. Die
Protestanten, obgleich sie eben erst auf dem Reichstag zu Speier vom
König Ferdinand und seinen Rathen so ungnädig behandelt und aus
dem Friedeil des Reichs ausgeschlossen waren, vereinigten ihre Fähnlein
und ihr Geschütz mit den Katholischen, um die „fremden Teufel" die
Donau hinunterzujagen. Und schon hatten die Janitscharen vor Wien's
Mauern den Muth verloren. Wie oft hatten sie gestürmt und waren
immer mit schwerem Verlust zurückgeworfen. Soliman sah, daß ihm
hier seine Grenze gesetzt sei, und wich zurück. Aber schon 1532 be-
wegte er sich mit größeren Heeresmassen abermals gegen die deutschen
Grenzen. Kurz vorher war, wie wir wissen, der Reichstag zu Augs-
burg gehalten, der sch m alkald i sch e Bund geschlossen; das deutsche
Reich war in einer schweren Spaltung begriffen. Soliman hatte
darauf gerechnet, die Deutschen wider einander zu Felde liegend zu
finden; er meinte, dies Mal würde kaum ein Grenzhüter da sein, ihm
Widerstand zu leisten. Wie hatte er sich verrechnet! Daö größte und
schönste Heer, welches Deutschland seit geraumen Jahren aufgebracht,
stand ihm gegenüber. Er wagte nicht es anzugreifen. Nach wenigen
Versuchen, in Steiermark einzudringen, um dort zu plündern, hatte er
sich entschlossen, zurückzugehen, ohne auch nur das Mindeste von seinen
großen Entwürfen in's Werk gesetzt zu haben. Woher nun diese Kraft
und Einigkeit der Deutschen? Nicht durch die Nachgiebigkeit der katho-
lischen Fürsten; die wollten wenigstens das gerichtliche Verfahren gegen die
Protestanten durchaus beibehalten wissen, mochte auch das Reich dar-
über zu Trümmern gehen. Es war vielmehr die Besonnenheit des Kai-
sers, welcher auch den Unwillen der katholischen Fürsten nicht scheute, als
die Noth de§ Augenblicks eine größere Nachgiebigkeit gegen die Prote-
stanten forderte, und es war die Vaterlandsliebe der Protestanten, die
nach Luther's ernster und begeisterter Aufforderung sich wie Ein Mann
gegen die Türken aufmachten, ohne mit berechnender Klugheit die schwie-
rige Lage des Kaisers und seines Bruders zu benutzen, um mehr als
Sicherheit, Ruhe und Frieden von ihnen zu begehren. Sie waren zu-
frieden, wenn sie geduldet wurden.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß]]
Extrahierte Personennamen: Mohacz Soliman Johann_Zapolpa Johann Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Ungarn Wien Donau Deutschland
Xxhi. §. 5. Hemmungen und Spaltungen in Deutschland und der Schweiz. 493
bayerischen Herzöge mit dem Papst erweiterte sich. Auch der Kurfürst
von Mainz und die Herzoge von Braunschweig und Sachsen schlossen
Bündnisse zur Aufrechthaltung der katholischen Lehren und Gebräuche.
Dem gegenüber traten auch die evangelischen Fürsten zusam-
men, der Kurfürst von Sachsen und Philipp von Hessen, eine
große Anzahl niederdeutscher Fürsten und Städte, auch mehrere ange-
sehene Städte des Oberlandes. Und als nun endlich 1526 ein neuer
Reichstag zu Speier gehalten wurde, und kaiserliche und päpstliche
Commiffare die Wiederherstellung einer vollständigen Einigung aller
Deutschen wiederum verhinderten, da kam es zu einer völligen und
nicht wieder auszulöschenden Spaltung Deutschlands. Jedem Fürsten,
jeder Stadt wurde es überlassen, in kirchlichen Dingen sich nach
eignem besten Wissen und Gewissen zu verhalten; eine Einheit und
Gleichförmigkeit in Sachen der Religion wurde von den Deutschen
aufgegeben.
Der böse Feind und Widersacher des Reiches Gottes hatte dafür
gesorgt, daß nicht bloß in Deutschland das gesegnete Werk der Refor-
mation Anlaß wurde zu Trennungen und Spaltungen der traurigsten
Art, sondern daß an vielen anderen Orten das engst Verbundene durch
die kirchliche Umgestaltung aus einander gezerrt wurde, das Zusam-
mengehörige und Verbrüderte in Haß und Feindschaft aus einander
trat. So war es in der Schweiz. Zwingli's neue Gottesdienstord-
nung, Verfassung und Lehre war auch in Basel angenommen, auch in
Bern, und eine ganze Menge kleinerer und größerer Cantone erklär-
ten sich nach und nach ebenfalls dafür. Aber andere, insonderheit die
ältesten und deshalb angesehensten Cantone wollten durchaus von keiner
Neuerung wissen. Da sie sich selbst nicht stark genug hielten, verbün-
deten sie sich mit ihrem alten Erbfeinde, mit Oestreich, um dem Um-
sichgreifen der evangelischen Neuerung zu wehren. Mehrere Jahre ha-
den die Kräfte beider Parteien sich gemessen und die Entscheidung hat
geschwankt. Endlich ist es auch in der Schweiz zu demselben Ausgang
gekommen, wie in Deutschland. Der größere Theil der Cantone blieb
katholisch, der andere Theil hielt treu zum evangelischen Bekenntniß.
Nun hätte man denken sollen, daß durch diese religiösen Spaltungen
wenigstens das politische Band zwischen den beiden gleichartigen Hälften
in Deutschland und der Schweiz wieder festgeknüpft werden würde.
Aber auch das geschah nicht. Die katholischen Schweizer hielten sich
nach wie vor entfernt von den katholischen Deutschen ; und die evangelischen
Schweizer geriethen sogar in offenbaren Gegensatz gegen die deutschen
Anhänger Luther's. Gleich zwischen Zwingli und Luther entspann
sich ein persönlicher Streit. Es sah sich so an, als drehe sich dieser
Kampf, der bis auf den heutigen Tag die Reformirten und Lutheraner
getrennt hält, lediglich um die Lehre vom heiligen Abendmahl. Darüber
sind auch in der That die heftigsten Schriften gewechselt, die härtesten
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T68: [Schweiz Zürich Kanton Bern See Stadt Genf Basel Schweizer Schwyz], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Xxhi Philipp_von_Hessen Philipp Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schweiz Mainz Sachsen Sachsen Deutschlands Deutschland Schweiz Basel Bern Deutschland Deutschland
Xxiv. §. 1. Jesuiten und Inquisition. 521
Europa sind die Spanier gewesen. Spanien war, wie wir schon frü-
her erörtert, die Burg des Katholicismus; nicht Italien. Italien
ist von jeher nur der Waffenplatz des Papstes gewesen. Aber ein
Katholicismus, der, unabhängig von den Launen und Schwachen des
einzelnen Papstes, die gesammte Nation bis in das innerste Mark
durchdringt, findet sich nur in Spanien. Von Spanien gehen alle
die neuen Eroberungen aus, welche in den nächstfolgenden Jahrhun-
derten der Katholicismus in den protestantischen Ländern gemacht hat.
Schon beim Beginn der Reformation begann dies sonst so entlegene
und fremde Land aus seiner Schwäche und Vereinsamung hervorzu-
treten, mit den Schätzen einer neuentdeckten Welt sich zu hohem Glanz
und Reichthum aufzuschwingen, durch Verbindung mit dem deutschen
Kaiserthum sich ein überwiegendes Ansehen in Europa anzueignen.
In dieser gebietenden Stellung erhält es sich so lange, bis der Kampf
wider den Protestantismus zu Ende gebracht ist — dann sinkt es
wieder in Ohnmacht und Dunkelheit dahin. Im Anfang war es
übrigens nicht sowohl die politische Macht Spaniens, welche den
Katholicismus wieder zu Ehren brachte (daß Karl 1546 und47 mit
Hülfe spanischer Waffen die deutschen Protestanten unterwarf, war
doch nur etwas Vorübergehendes), sondern es war ein Mann und
eine Gesellschaft von Männern, welche aus Spanien hcrvorgingen
und den Kampf wider den Protestantismus, den unaufhörlichen Kampf
auf Leben und Tod sich zum alleinigen Geschäft, zur einzigen Aufgabe
ihres Lebens gemacht haben. Die Jesuiten. Von sehr unbedeutenden
Anfängen ausgehend, bildeten sie in ganz kurzer Zeit eine Macht, eine ge-
waltige Macht in der Welt, die auf starken Schultern den haltlos sinkenden
Bau des Papstthums wieder emporrichtete, und mit der Diöciplin
und dem Eifer eines tapfern wohlgeübten Heeres vordringend, aller
Orten die wankenden Gemüther wieder befestigte, die abgewandten
versöhnte, die losgetrennten wieder herbeiholte. Sie wurden die
gelehrten und eifrigen Lehrer der Jugend, sie wurden die Beichtväter
des Adels und der Fürsten, sie wurden die beredten Prediger der un-
wissenden Menge. Wo sie erschienen, kam der Abfall von Rom zum
Stillstand, eine Gegenwirkung trat ein, bald sah man wieder die
Kirchen, die Klöster sich füllen, Rosenkränze beten, Bilder und Reli-
quien verehren; man sah wieder Wallfahrer durch die Straßen ziehen,
hörte wieder die katholische Ohrenbeichte, die lateinischen Gebetsfor-
meln, die Anrufung der Maria und der Heiligen: der ganze Pomp
des römischen Gottesdienstes ward wieder hergestellt. 'Und wie gern
und eifrig kam man von Rom aus diesen Bestrebungen der Jesuiten
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karl Maria
Extrahierte Ortsnamen: Europa Italien Italien Spanien Spanien Europa Spaniens Spanien Rom Maria Rom
Xxiv. §. 3. Beginn der Gegenreformation in Deutschland. 527
zosen sammt den Deutschen stellten Forderungen, welche dem Papst
in's Ungemessene zu gehen schienen, die ihn säst seiner Macht zu be-
rauben, ihn wieder zum einfachen Bischof von Rom zu machen drohten.
Die heiligen Väter in Trident geriethen in bitterm Kampf und Hader
fast thätlich aneinander. An eine Einigung, an eine allgemein gül-
tige Beschlußnahme schien nicht mehr zu denken. Da erkannte der
Papst klar, daß mit den Theologen nicht weiter zu kommen sei, und
wandte sich deshalb direct an die Fürsten. Einen nach dem andern,
den Kaiser, die Könige von Frankreich und Spanien u. a. beschickte er
durch seine klügsten und geschicktesten Unterhändler, ließ sich ihre For-
derungen vorlegen, gewährte ihnen Einiges, beschwichtigte sie wegen des
klebrigen, und bewog sie, ihre Gesandten und Theologen aus dem Concil
zu einem ruhigern Tone anzuweisen. Auf diese Weise kam man zum
Schluß. Man hatte eingesehen: nicht auf Concillen, sondern auf Un-
terhandlungen zwischen Papst und Fürsten mußten von jetzt an die
streitigen Fragen innerhalb der katholischen Kirche verwiesen werden,
und die Diplomatie trat an die Stelle des Forschens nach Recht und
nach Wahrheit.
§. 3. Beginn der Gegenreformation in Deutschland.
So ausgerüstet mit einer unantastbaren Glaubenslehre und mit
schweren Bannflüchen gegen jede Ketzerei, durch die entschiedensten
Concilienbeschlüsse zu einem frommen Bezeigen, zu erneuter gottesdienst-
licher Strenge angewiesen, durch neue geistliche Anstalten und Orden,
insonderheit durch die gewandten, klugen und rücksichtslosen Jesuiten
neu gekräftigt, trat nun die katholische Kirche abermals zum Kampf
hervor. In allen Ländern, wo der Protestantismus Eingang gefun-
den hatte, begann dieser Kampf. Ueber ein Jahrhundert hat es ge-
dauert, bis sich die Grenzen der beiden Kirchen so festgestellt haben,
wie wir sie jetzt noch vor uns sehen. Und wenn wir dabei auf unser
Vaterland blicken, so müssen wir sagen, der Katholicismus hat ein
ungeheures Gebiet wieder gewonnen, fast die Hälfte Deutschlands.
Das ganze Rheinland und das ganze Donauland, Westphalen, Fran-
ken, Böhmen und Schlesien ist wieder in seine Hände gerathen. Diese
spanischen und italienischen Jesuiten haben die Deutschen auf ihrem
eignen Grund und Boden überwunden. Sie waren in sich einig, fest
zusammengeschlossen, hatten einen einzigen Zweck vor Augen, den sie
alle nach festen Vorschriften, im strengen Gehorsam, mit Ausbietung
aller ihrer Kräfte verfochten. Das gab ihnen so erstaunliche Erfolge.
Kaiser Ferdinand hatte auf den Rath seines Beichtvaters (1551)
die ersten Jesuiten nach Wien gebracht und ihnen dort ein Collegium
eingerichtet. Etliche Jahre später finden wir sie in Köln, wo sie
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg]]
TM Hauptwörter (200): [T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T71: [Deutschland Krieg Preußen Volk Napoleon Frankreich Macht Frieden Europa Land], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Ferdinand Ferdinand
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Rom Frankreich Spanien Deutschland Deutschlands Schlesien Wien
Xxiv. §. 7. Gegenreformation in Polen und Oestreich. 541
aussterbenden Königshause eine Sittenlosigkeit, eine Gemeinheit, eine
Wollust, eine zur Schau getragene Unzucht, daß man sich wahrlich nicht
wundern kann, wie der ganze, eben noch so blühende Stamm in wenig
Jahren verdorrte, wie alle drei, ja vier Söhne der Katharina noch
in jungen Jahren elend dahinstarben. Und von dem Hofe aus ver-
breitete sich das Gift der Schamlosigkeit, der offenbaren und geheinien
Wollust über den ganzen Adel, über alle vornehme Welt, über ganz
Frankreich. Und leider auch die Protestanten blieben von diesem Gifte
nicht unberührt. Wir finden Wenige unter ihnen, auf die unser
Auge mit herzlicher Theilnahme, Bewunderung und Ehrfurcht blicken
könnte, die festgestanden hätten mitten in der verderbten Umgebung.
Auch ein Cond6 läßt nicht ab, der Wollust zu fröhnen, auch ein
Heinrich von Navarra ist ein ausschweifender Lüstling. Vergleicht
man diesen König Heinrich Iv. mit seinen Vorgängern und Nach-
folgern, so mag er als ein Stern und hochzupreisendes Licht unter
ihnen erscheinen. Es fehlt ihm auch nicht an jener hochherzigen Rit-
terlichkeit, Talent und Gewandtheit, die dem Franzosen so wohl steht.
Nichts desto weniger muß man über ihn das Urtheil sprechen, daß er
durch seine Sittenlosigkeit und Maitressenwirthfchaft noch auf dem Thron
ein überaus schweres Aergerniß gegeben, ein noch schwereres aber durch
die Leichtfertigkeit, mit der er zweimal seinen Glauben abschwor, einmal
aus Furcht, das zweite Mal aus Lust, aus Herrschbegier. Für den Besitz
von Paris, für den Thron Frankreichs war ihm sein evangelischer
Glaube feil. Auch das Haus Bourbon, sehen wir, hat sich wie alle
neu eintretenden Herrschergeschlechter in Frankreich, mit einem Brand-
mal im Gewissen auf den Thron geschwungen; und wir wissen, auch
das Haus Bourbon ist wie alle übrigen in Blut und Jammer zu
Grunde gegangen.
tz. 7. Gegenreformation in Polen und Oestreich.
Unter dem Eindruck jeneö schrecklichen Ereignisses (1572), welches
wir als Bartholomäusnacht zu bezeichnen gewohnt sind (Philipp Ii.
und Papst Gregor Xm. ließen Dankfeste feiern), war der katho-
lische Angriff mit verstärktem Eifer nach allen Seiten hin gerichtet wor-
den. Wir sahen schon, zu welchen Ergebnissen er am Rhein, in
Franken, in Westphalen und den Niederlanden geführt hat; mit wie
großen Gefahren er in England zurückgewiesen wurde. Zu derselben
Zeit waren die Jesuiten auch in Schweden eingedrungen. Schon
hatten sie den König Johann Ii. in ihren Netzen, als noch zu rech-
ter Zeit der allgemeine Widerwille des Volks und der unkluge Uebcr-
muth der Eindringlinge die Gefahr für das evangelische Land besei-
tigte. Desto fester setzten sie sich in Polen. In diesem Lande waren
nämlich die Protestanten bereits so zahlreich und so mächtig geworden,
daß sie sich, wenn sie gewollt hätten, leicht einen protestantischen Kö-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T86: [Kaiser Protestant Katholik Fürst Kurfürst Land Kirche Karl Reichstag Krieg], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T16: [König Heinrich Karl Frankreich Neapel Sohn England Philipp Herzog Bruder], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland]]
Extrahierte Personennamen: Katharina Heinrich_von_Navarra Heinrich Heinrich_Iv Heinrich Philipp_Ii Philipp Gregor_Xm Gregor Johann
Extrahierte Ortsnamen: Polen Frankreich Paris Frankreichs Frankreich Polen Rhein England Schweden Polen
Xxv. §. 4. Pietismus und Rationalismus in Deutschland. 573
Secten oder Jrrlehrer; sie standen noch immer wie auf der Warte, um
auch die geringste Abweichung von der festgestellten Lehrweise auszu-
spüren und sofort auf Tod und Leben zu bekämpfen. Darüber ver-
gaßen sie aber des hinschmachtenden Volkes zu ihren Füßen, liefen mit
Kolben und Streitart an den: Unglücklichen, der unter die Mörder
gefallen war, vorüber, um den Mordgesellen nachzulaufen, unbekümmert,
ob der auf den Tod Verwundete inzwischen qualvoll umkäme. Wir
müssen leider noch mehr sagen. Selbst da, wo nun ein barmherziger
Samariter auftrat, der vor allen Dingen sich das Trösten, Erquicken,
Verbinden und Heilen des armen Volks zu seiner Lebensaufgabe machte,
singen die streitfertigen Eiferer an zu mäkeln und zu schelten, und
kehrten wohl gar ihre Waffen gegen ihn. Wie viel haben die theuren
Gottesmänner, die wahrhaft barmherzigen Samariter, ein Spener
(ff 1705), ein Franke (ff 1727), von ihnen zu leiden gehabt. Aber
desungeachtet fehlte es ihnen nicht an Schülern und Nachfolgern. Von
Halle gingen Hunderte junger Theologen aus, die vor den Gemeinden
wieder das Evangelium als süßes Fried- und Freudenwort erschallen
ließen, und Hunderttausende evangelischer Herzen erbauen sich noch heute
mit inniglicher Dankbarkeit an den theuren Liedern und Erbauungs-
schriften eines Woltersdorf, Frehlinghausen, Schmolke, Rie-
ger, Bog atzky und wie die werthen Gottesknechte weiter heißen.
Aber diese einzelnen liebeglühenden Seelen vermochten doch nicht in
weiteren Kreisen die Eiseskälte aufzuthauen, welche sich hin und her
über die protestantische Kirche gelegt hatte. Was Wunder, daß bald
hier, bald dort und immer häufiger sich kleine Schaaren absonderten,
die Kirche verließen und separirte Gemeinden von lauter heilsbegierigen
Gliedern stifteten. Noch steht unter uns in Liebe und Ehre die reich-
gesegnete Brüdergemeinde des Grafen Zinzendorf. Ihre Entstehung
fällt in jene Zeit, von der wir reden (1722). Viele andere kleinere
Gemeinschaften entstanden vor ihr und nach ihr aus ähnlichem Be-
dürfniß. Aber unberathen und ungeleitet sind sie zum Theil in gefähr-
liche Jrrthümer und auf verderbliche Wege gerathen und fast sämmtlich
untergegangen. Auf der andern Seite aber erhoben sich bereits jene
Jrrgeifter, die wir schon in England und Frankreich kennen gelernt,
die Freidenker und Leugner der göttlichen Offenbarung. Zwar nicht
gleich so öffentlich, so frech, so schamlos wie in Frankreich, sondern
ganz ehrbar, bescheiden, philosophisch wie in England, ließ sich die
Sache an. Es wurde anfangs nur erst im engern Kreise der Gelehr-
ten über die Fragen verhandelt, ob denn die Bibel wirklich Gottes
Wort sei, und wie man sie auszulegen habe. Da führten noch per-
sönlich sehr fromme und von Herzen gläubige Männer das Wort, ein
Ernesti, Semler, Michaelis und Wettstein. Aber schon hatten
sie den Fuß auf die schiefe Ebene gesetzt, die ihre Schüler und Nach-
folger schnell in jähem Absturz in die Tiefen eines nackten und trost-
losen Unglaubens hinabreißen sollte. Die von Frankreich herüberstrei-
chende Luft versetzte unmerklich auch unser Volk in den Taumel, der
den Jrrthum mit der Wahrheit, die Finsterniß mit dem Licht, das
Verderben mit dem Heile verwechselt. Man fing damit an, an den
i
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude]]
TM Hauptwörter (200): [T58: [Kirche Lehre Luther Schrift Bibel Gott Christus Bischof Papst Wort], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
Extrahierte Personennamen: Ernesti Michaelis
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Frehlinghausen England Frankreich Frankreich England Wettstein Frankreich
Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt. 627
abgebrochen wurden, als Oe streich sich entschieden auf die Seite der
Verbündeten stellte, und schon zog die große Hauptarmee unter dem
Fürsten Schwarzenberg aus Böhmen über die trennenden Berge
nach Sachsen hinein, um den heiligen Kampf im Verein mit den
Brüdern zum sieghaften Ende zu bringen. Und nun folgten die Sie-
gesnachrichten Schlag auf Schlag, und die dazwischen sich mengenden
Botschaften von einzelnen Verlusten und Niederlagen wurden immer
gleich wieder von neuem Siegesjubel überwogen. Blücher, der
deutsche Heldengreis, machte den Anfang mit seinem großen und
ruhmvollen Sieg an der Katzbach; die Generäle Oftermann und
Kleist von Nollendorf vernichteten die französische Heeresabtheilung
des Vandamme in der Ebene von Culm, wohin das böhmische
Heer sich nach der Schlacht bei Dresden wieder hatte zurückziehen
müssen. Bülow aber, mit der Beterschaar des theuren Vater Jä-
nicke hinter sich, schlug die gegen Berlin heranziehenden Marschälle
Oudinot und Ney erst bei Groß-Beeren, dann beidennewitz
mit der preußischen Landwehr so vollständig, daß dieser ganze Hee-
restheil fast aufgerieben wurde. Das geschah alles in den letzten Ta-
gen des August und Anfangs September. Es waren die Vorübun-
gen zu dem großen Kampf, der noch bevorftand gegen den Schlach-
tenmeister, den Napoleon selber. Der stand noch in Dresden und
versuchte es, während des September bald in Böhmen, bald in Schle-
sien einzudringen, bald rechts, bald links sich freie Bahn zu machen,
aber vergebens. Das Netz wurde fester und fester um ihn herumge-
zogen. Die drei Armeen, die bisher in Böhmen, Schlesien und nörd-
lich an der Elbe vertheilt gewesen waren, zogen jetzt von allen Seiten
heran, um sich bei Leipzig zu vereinigen. Blücher mit seinem schle-
sischen Heere stieß zur Nordarmee, suchte den zaudernden B er nadotte
mit sich fortzureißen, erzwang durch Aork's kühne Waffenthat bei
Wartenberg den Uebergang über die Elbe, und rückte dann von Nor-
den her, gleichwie Schwarzenberg von Süden her in die Ebene
von Leipzig. Auf diesen weitgestreckten Flächen, wo schon so manche
blutige Schlacht geschlagen war, sollte auch der große Entscheidungs-
kampf geschehen, da das in zwei feindliche Hälften zerspaltene Europa
einander gegenüber stand. Der Tag des Gerichts über den Verder-
der war endlich gekommen. Er fühlte seine Schläge schon im eignen
Herzen. Von Verzweiflung zum Trotz, von Hoffnungslosigkeit zum
Uebermuth hin und her schwankend, war er selbst seiner eignen Um-
gebung fürchterlich geworden. Nur mit finsterm Widerwillen oder
bangem Zweifel gehorchten ihm noch seine Generäle ; im ganzen Heere
40*
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T198: [Friedrich Schlacht Heer Schlesien Sachsen Armee Sieg General Mann Feind], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
Extrahierte Personennamen: Schwarzenberg Bülow August Napoleon Schwarzenberg
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Sachsen Dresden Berlin Dresden Schlesien Leipzig Wartenberg Leipzig Europa
640
Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze.
tägiger Barricadenkampf in Paris endigte mit der Versagung der kö-
niglichen Familie aus Frankreich und mit der Erhebung des „Bür-
gerkönigs" Louis Philipp aus der Seitenlinie der Orleans auf
den neubefleckten und geschwächten Thron. Wie ein zündender Funke
fiel diese französische Julirevolution in den überall aufgehäuften Zun-
der der „liberalen" Mißstimmung. Belgien riß sich von Holland
los und wurde unter Zustimmung der Großmächte zu einem besondern
Königreich mit französischer Verfassung erhoben. Polen versuchte
seine verlorene Unabhängigkeit wieder zu gewinnen, wurde aber nach
zweijährigem harten Kampf durch die russischen Heere überwältigt. In
Spanien und Portugal brachen neue verheerende Bürgerkriege
aus. In Italien konnte der Geist der Empörung nur durch den
Einmarsch östreichischer Truppen gedämpft werden. Die Schweiz
war von Hader und Spaltungen erfüllt, und ward durch Aufnahme
einer Masse politischer Flüchtlinge, besonders Polen, der Mutterschooß
fortwährender Unruhen und Revolutionsversuche in sämmtlichen Nach-
barstaaten. Selbst in England regten sich aufständische Versuche und
eine Reform des Parlaments nach französischen Principien ward durch-
gcsetzt. Wie hätten die deutschen Länder davon unberührt bleiben
sollen? Unmittelbar nach der französischen Julirevolution brach in
Braun schweig ein Aufruhr aus, der Fürst des Landes ward ver-
jagt, sein Bruder mußte eine liberale Verfassung bewilligen. Die
Fürsten von Hessen-Cassel und Sachsen wurden gezwungen, ihre
Herrscherrechte mit Mitregenten zu theilen und gleichfalls liberale Ver-
fassungen anzunehmen. Aehnlich ging es mit Hannover, welches
damals noch mit England verbunden war (1837 nach dem Tode Wil-
helm's Iv. von England bekam Hannover wieder seinen eignen
König, Ernst August, und die liberale Verfassung ward etwas ein-
geschränkt). Die Partei der Liberalsten aber im südlichen Deutsch-
land, die linke Seite in den Kammern, und Alles, was von unruhigen
Geistern und politisch überspannten oder sittlich verkommenen Menschen
sich zu ihnen hielt, suchten die revolutionären Bewegungen noch ganz
anders in ihrem Sinne auszubeuten. Sie wollten ganz Deutschland
zu einer großen „untheilbaren Republik" machen, und alle Nachbar-
staaten desgleichen. Auf dem sogenannten Hambach er fest (1832),
wo 30,000 solcher verwirrter und thörichter Köpfe beisammen waren,
ward dieser Plan öffentlich verkündigt, und zu Frankfurt sollte durch
Zersprengung der Bundesversammlung mit der Ausführung begonnen
werden. Aber das ganze Unternehmen scheiterte in kläglicher Weise
und strenge Verordnungen und Maßregeln der Regierungen gegen die
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T67: [Preußen Bund Staat König Regierung Deutschland Verfassung Frankfurt Reichstag Bundestag]]
Extrahierte Personennamen: Louis_Philipp Philipp Ernst August
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Holland Spanien Portugal Italien England Hessen-Cassel Sachsen England England Deutschland Hambach Frankfurt